Pressefreiheit in Österreich und International

Wie steht es um die Pressefreiheit heute? Wer sind ihre Freunde und wer ihre Feinde? Welche Strömungen und Trends gibt es?
Bildung, Kultur und Medien
Dienstag,
30
.10.
2012
 
Wien
Bundesfachgruppe Medienberufe im BSA

Dazu gab es am 30. Oktober 2012 eine Veranstaltung des BSA-Medienberufe mit Astrid Zimmermann (Generalsekretärin des Presseclubs Concordia) und Rubina Möhring (Geschäftsführende Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich) als Referentinnen.

Geschichte

Zu Beginn gibt Rubina Möhring einen kurzen Einblick in die Geschichte: Der Wunsch nach Pressefreiheit sei schon so alt wie der Journalismus und so alt wie die Zensur, das heißt, er bestand auch schon etwa 400 Jahre vor Christus im alten Griechenland. Um diesen Wunsch zur Realität zu machen, brauchte es mehr als 2000 Jahre und zwei Revolutionen, bis die Pressefreiheit 1776 zum ersten Mal im Zuge der Amerikanischen Revolution als unveräußerliches Menschenrecht deklariert wurde. Bald darauf, 1789, wurde die Pressefreiheit in die „Bill of Rights“ der neu gegründeten USA und im gleichen Jahr in die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte zu Beginn der Französischen Revolution übernommen.

Pressefreiheit heute

Während gegenwärtig die Pressefreiheit in den westlichen Staaten einen relativ hohen Stellenwert genießt und weitgehend als gewährleistet gilt, ist Pressefreiheit in den meisten Entwicklungsländern und vor allem in Diktaturen deutlich eingeschränkt. In der von der Organisation Reporter ohne Grenzen jährlich erstellten Rangliste von 189 Ländern nach dem Grad der Pressefreiheit, dem Press Freedom Index, sind die Länder mit der geringsten Pressefreiheit Syrien, Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Führend sind die skandinavischen Länder, Österreich liegt an 5.Stelle.

Reporter ohne Grenzen (ROG)

ROG wurde 1985 gegründet. Es gibt neun unabhängige Landessektionen: Frankreich, Schweiz, Deutschland, Schweden, Belgien, Spanien, Italien, Österreich und Kanada (demnächst kommt Großbritannien noch dazu). Es gibt weltweit Büros und über 100 KorrespondentInnen, die zuarbeiten. ROG veröffentlicht diverse Statistiken, z.B. sind heuer bereits über 50 JournalistInnenen ermordet worden und weltweit über 100 inhaftiert und auch über 100 BloggerInnen. Es gibt auch die Liste der Feinde des Internets. ROG gibt auch vierteljährlich eine Zeitschrift mit dem Titel: press.freedom.now heraus, in der auch solche Informationen zu finden sind. ROG ist mit den Gewerkschaften in Verbindung, mit den Kommunikationswissenschaften, mit der Concordia und vergibt auch JournalistInnenpreise.

Die Concordia und die Pressefreiheit in Österreich heute

Astrid Zimmermann kommt zur Gegenwart in Österreich und weist darauf hin, dass wir heute den Begriff Pressefreiheit im Artikel 13 des Staatsgrundgesetztes finden. Es geht darum, dass Presse nicht zensuriert werden darf. Die Generalsekretärin meint, heute kämpfe die Concordia nicht für die Pressefreiheit, sondern sie wache darüber und kooperiere dabei mit internationalen Vereinigungen wie „Reporter ohne Grenzen“. In Österreich werden JournalistInnen nicht ermordet, aber es gibt das Prekariat und die Aufkündigung des Kollektivvertrages.

Astrid Zimmermann zur aktuellen Bedrohung der Pressefreiheit in Österreich:

  1. Ökonomischer Druck
    Die prekäre ökonomische Situation vieler JournalistInnen und auch Medienunternehmen ist eines der größten aktuellen Probleme und wirkt sich auf die Berichterstattung aus. Das heißt:
    1. Die berichteten Themen werden zunehmend von Presseagenturen bzw. PressesprecherInnen vorgegeben und durch diese Stellen wird der Zugang zur Information für die KonsumentInnen eingeschränkt.
    2. Immer mehr wird der PR-Text eins zu eins übernommen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch der Zeitdruck, dem die einzelne JournalistIn aufgrund von Einsparungen zunehmend ausgesetzt ist, Geschwindigkeit auf Kosten von „check, recheck und doublecheck“.
  2. Politischer Druck
    Seit einigen Jahren, eigentlich seit Jörg Haider, habe es sich eingebürgert, dass PolitikerInnen, bzw. politische Parteien nicht das verantwortliche Medium klagen, sondern die JournalistIn persönlich, um ihn/sie mundtot zu machen. Zum Redaktionsgeheimnis und zum Schutz der InformantIn gebe es Lippenbekenntnisse, aber auch den Versuch, das zu untergraben. Im Unterschied zu Deutschland sei es in Österreich nicht verboten, aus Akten zu zitieren. In Österreich gebe es aber keine Auskunftspflicht der Behörden mit dem Hinweis auf das Amtsgeheimnis, daher habe man zum Beispiel in der Steiermark  nicht öffentlich machen dürfen, wie viel Förderung die einzelnen Gemeinden bekommen.
    Einmal erkämpfte Rechtsgüter sind nicht selbstverständlich – siehe den Fall Moschitz. Der Staatsanwalt wollte das gesamte Material im ORF beschlagnahmen, nicht nur das veröffentlichte. Mittlerweile gibt es ein oberstgerichtliches Urteil, dass Recherchematerial nicht beschlagnahmt werden darf. Die Beschlagnahmung von Material braucht derzeit die Zustimmung der verantwortlichen JournalistIn oder eine richterliche Verfügung. Letzteres sollte aufgehoben werden, so dass man sich nur mehr hinterher beschweren hätte können, das scheiterte jedoch am massiven Protest der JournalistInnenorganisationen.
  3. Einschränkung der Pressefreiheit durch Terrorprävention
    Seit 9.11.2001 gibt es massive Einschränkungen von Bürgerrechten bzw. Presserechten mit dem Argument der Terrorprävention. „Sicherheit statt Terrorismus“ auf Kosten der Menschenrechte. Was alles in Österreich seither beschlossen wurde: Lauschangriff, Rasterfahndung, Rufdatenerfassung bei Mobiltelefonen, Speicherung der Internetaktivitäten, Vorratsdatenspeicherung, Änderung des Strafausmaßes bei Terrorprävention – und von all diesen Maßnahmen sind JournalistInnen nicht ausgenommen.
    Auch die Türkei habe ein neues Antiterrorgesetz. So könne man sich kritischer Geister entledigen – an die 40 JournalistInnen waren vor Gericht, VerlegerInnen, die kurdische Literatur veröffentlicht hatten, wurden gleichgesetzt mit kurdischen TerroristInnen.

Concordia

Astrid Zimmermann berichtet, der1859 gegründete Presseclub Concordia mache Lobbying für JournalistInnen und sei auch im Bereich Ethik sehr aktiv. Er produziert gemeinsam mit ROG die Diskussions-Sendung „Medienquartett“ auf Okto und vergibt auch JournalistInnen-Preise. Astrid Zimmermann sieht die Concordia als eine Art „kleines Bollwerk“, das versucht, das Schlimmste abzuwenden. Eine der Forderungen sei beispielsweise, dass JournalistInnen in Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung nicht strafrechtlich, sondern zivilrechtlich behandelt werden sollten.

Als Hintergrund führt der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Medienberufe, Erich König, einen Paradigmenwechsel in der medienrechtlichen Debatte seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts an, seither werde aus verschiedensten Anlässen immer wieder die Verankerung zusätzlicher strafrechtlicher Bestimmungen im Mediengesetz gefordert.

Rubina Möhring berichtet, dass es seit September 2012 eine UNO Resolution zum verstärkten Schutz für JournalistInnen gebe, Mord an JournalistInnen soll nicht mehr ungesühnt bleiben.

Diskussion

In der folgenden Debatte äußert Sepp Zaunegger seinen Eindruck, dass Concordia und ROG wunderschöne Segelschiffe seien, die gegen Zerstörer mit Cruise Missiles kämpfen müssten. Wichtig in diesem Zusammenhang sei vor allem auch eine grundsätzliche Kapitalismuskritik. Astrid Zimmermann bestätigt den Eindruck der ungleichen Mittel: "bei der Terrorismusprävention sind wir machtlos, nicht ein Segelschiff, sondern ein Ruderboot gegen den Zerstörer."

Es geht außerdem um ethische Fragen, wo die Pressefreiheit aufhöre (laut Astrid Zimmermann ist es eine ethische Regel, nicht live von einem Verbrechen zu berichten) und um das Abwägen der Verantwortung, was man/frau mit seinem/ihrem Bericht bewirke.

Es geht auch um Bildung, die Medien seien ein Teil der Bildung einer kritischen Öffentlichkeit und es sei wichtig zu lernen, mit den Medien umzugehen, Medienberichte auch richtig zu interpretieren. Medienunterricht durch JournalistInnen in den Schulen wird gefordert. Eine qualifizierte Ausbildung von JournalistInnenund eine vernünftige Presseförderung und damit ökonomische Besserstellung würden auch das Abschreiben von PressesprecherInnentexten verringern.

Erich König berichtet, dass derzeit ein Diskurs zur Reform der Presseförderung stattfindet, und ein Schwerpunkt auf qualitätssichernden Maßnahmen und Journalistenausbildung liegt. Im Bereich der Rundfunkfonds wird bereits jetzt mehr Augenmerk auf Journalistenausbildung, die über das rein handwerkliche hinausgeht, gelegt.Univ. Prof. Hannes Haas arbeitet beispielsweise im Auftrag des Bundeskanzleramtes an einer Studie.

Zur JournalistInnenausbildung im Allgemeinen konstatiert Erich König einen Rückstand Österreichs im Vergleich zu Deutschland. In den letzten zehn Jahren ist zwar einiges aufgeholt worden, etwa durch die Gründung von Fachhochschulen und diversen Lehrgängen, trotzdem ist noch immer ein großer Aufholbedarf gegeben, insbesondere im Bereich von Lokal- und Regionalmedien.

Es geht in der Diskussion weiters um Einzelfälle, wie die Ereignisse um den Lobmeyrhof in Wien 2011, und dass die Polizei Platzverbot gegen jedermann verhängen darf. Und darum, dass die Pressejacke, als Schutz gedacht, mittlerweile eher eine Gefahr sei. Und darum, dass auch die Gerichtsberichterstattung beschränkt werde. Gerichte können auch jetzt noch Kamerateams ausschließen.

Das Resümee der Veranstaltung formuliert Rubina Möhring:

Pressefreiheit ist ein Menschenrecht, das bewahrt und verteidigt werden muss!

Bericht: Elisabeth Zaunegger
 

Veranstaltungsankündigung